Der Pflichtteil: Wir antworten auf die 7 häufigsten Fragen

Der Pflichtteil stellt für den Erblasser eine Einschränkung seiner Testierfreiheit dar. Zwar kann man z.B. seine Kinder, nahe Angehörige und den Ehepartner/Lebenspartner enterben, allerdings steht manchen dieser nahen Angehörigen dann trotzdem der Pflichtteil als „Mindest-Beteiligung“ am Nachlass zu.

Doch wem steht der Pflichtteil zu? Und wie hoch ist der Pflichtteil?

Rechtsanwalt für Erbrecht Jens-Uwe Friemann informiert in diesem Beitrag über alles Wissenswerte rund um das Thema Pflichtteil.

Pflichtteil
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Übersicht:

  1. Was ist der Pflichtteil?
  2. Wer hat Anspruch auf einen Pflichtteil?
  3. Wie hoch ist der gesetzliche Pflichtteil?
  4. Können Kinder trotz Berliner Testament einen Pflichtteil einfordern?
  5. Kann man Kinder vom Pflichtteil ausschließen?
  6. Kann man den Pflichtteil einklagen?
  7. Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?

1. Was ist der Pflichtteil?

Jeder Mensch kann frei über die Verwendung seines Vermögens entscheiden. Durch die Testierfreiheit gilt diese freie Verwendung des Vermögens und Eigentums auch für die letztwilligen Verfügungen und das Testament. Ein Testament muss man deshalb auch nicht errichten, wenn man die gesetzliche Erbfolge eintreten lassen will.

Errichtet man aber ein Testament, herrscht keine völlige bzw. absolute Testierfreiheit. Zum einen kann die letztwillige Verfügung Beschränkungen unterliegen – z.B. aus einem Berliner Testament heraus – und zum anderen gibt es den Pflichtteil. Bestimmten nahen Angehörigen steht mit dem Pflichtteil ein gesetzliches Minimum an dem Nachlass zu.

Auch wenn man als zukünftiger Erblasser nicht möchte, dass die nahen Angehörigen etwas vom Nachlass erben, kann man dieses gesetzliche Minimum in Form des Pflichtteils nicht umgehen. Doch auch wenn ein Pflichtteilsberechtigter in einem Testament mit einem zu geringen Erbteil bedacht wurde, kann ein fehlender Anteil bis zur Höhe des gesetzlichen Pflichtteils beansprucht werden; dies bezeichnet man als sog. Zusatzpflichtteil.

2. Wer hat Anspruch auf einen Pflichtteil?

Das Gesetz legt genau fest, wer einen Anspruch auf den Pflichtteil hat. Nicht jeder mehr oder weniger „nahe“ Angehörige hat einen Pflichtteilsanspruch. Diese Pflichtteilsberechtigten gem. § 2303 BGB sind:

  • der Ehepartner oder Lebenspartner des Erblassers
  • die Kinder bzw. Abkömmlinge des Erblassers (inkl. Enkel, Urenkel etc.).
  • sowie die Eltern des Erblassers

Die entfernteren Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers scheiden aber dann als Pflichtteilsberechtigte aus, wenn Kinder des Erblassers existieren. Erst wenn die Kinder vor dem Erblasser sterben sollten, kommen z.B. deren Kinder bzw. die Enkel des Erblassers bei dem Pflichtteil zum Zuge.

Geschwistern, Tanten, Onkel, Neffen, Nichten sowie Cousins und Cousinen und andere weiter entfernten Angehörigen steht kein Pflichtteil nach der gesetzlichen Regelung zu.

3. Wie hoch ist der gesetzliche Pflichtteil?

Wurde z.B. eines der Kinder des Erblassers durch diesen enterbt, steht dem Kind die Hälfte des gesetzlichen Erbteils zu. Hatte der Erblasser z.B. drei Kinder und wollte eines davon enterben, würden die beiden mit dem Nachlass bedachten Kinder jeweils 50% erben und das dritte Kind nichts.

Gäbe es aber keine letztwillige Verfügung, würde das Erbe nach der gesetzlichen Erbfolge verteilt und jedes des drei Kinder würde jeweils ein Drittel des Nachlasses erben.

In diesem Fall würde der Anspruch, den das enterbte Kind gegenüber seinen beiden Geschwistern hätte, die Hälfte des Erbteils aus gesetzlicher Erbfolge, also die Hälfte von einem Drittel, nämlich ein Sechstel, betragen.

Hätte der Erblasser zwei Kinder und würde ein Kind vom Erbe ausschließen wollen, würde das enterbte Kind im Fall der gesetzlichen Erbfolge 50% vom Nachlass erben; der Pflichtteil beträgt damit die Hälfte, nämlich 25%.

Für die Höhe des Pflichtteils kommt es damit immer auf die individuelle Familienkonstellation an und wie nach der gesetzlichen Erbfolge das Erbe verteilt werden würde, d.h. wenn kein Testament vorhanden wäre.

4. Können Kinder trotz Berliner Testament einen Pflichtteil einfordern?

Je nach Ausgestaltung eines Berliner Testaments setzen sich die beiden Ehepartner oder Lebenspartner zu Alleinerben im ersten Erbfall ein. Stirbt der erste Ehepartner, werden die Kinder zugunsten des länger lebenden Ehepartners als Erben ausgeschlossen. Dies soll vor allem davor bewahren, dass der länger lebende Ehepartner die Erbansprüche der Kinder befriedigen muss.

Solange die Kinder für diesen Fall keinen ausdrücklichen Pflichtteilsverzicht erklärt haben, der notariell beurkundet werden müsste, können die Kinder den Pflichtteil des ersten Erbfalls grundsätzlich fordern. Es gibt aber mit sog. Pflichtteilsstrafklauseln Mittel und Wege, die Forderung des Pflichtteils im ersten Erbfall unattraktiv zu machen und den länger lebenden Ehepartner vor finanziellen Risiken zu schützen.

Um entsprechende Klauseln für ein Testament zu verfassen und bei der Gestaltung des Berliner Testaments zu beraten, sollte in solchen Fällen ein auf das Erbrecht spezialisierter Rechtsanwalt aufgesucht werden.

Berliner Testament

Mehr zum Thema der Vor- und Nachteile eines Berliner Testament lesen Sie in unserem Beitrag zum Thema.

5. Kann man Kinder vom Pflichtteil ausschließen?

Es ist nur in sehr seltenen Fällen möglich, Kinder bzw. Pflichtteilsberechtigte ganz vom Nachlass auszuschließen und Ihnen ihren Pflichtteilsanspruch zu entziehen. Für die Pflichtteilsentziehung müssen drastische Gründe vorliegen.

Diese können z.B. darin liegen, dass ein Pflichtteilsberechtigter dem Erblasser oder seinem Ehepartner nach dem Leben trachtet oder bereits ein Verbrechen oder schweres Vergehen zu deren Lasten begangen hat. § 2333 BGB nennt noch weitere Gründe, die zur Entziehung des Pflichtteils führen können.

Um die Entziehung des Pflichtteils zu verfügen, müssen die Gründe im Testament ausführlich dargelegt werden. Liegen solche schwerwiegenden Gründe vor und möchte man als Erblasser die Pflichtteilsentziehung im Testament verfügen, sollte man sich in jedem Fall von einem Rechtsanwalt, der auf das Erbrecht spezialisiert ist, beraten und dort einen entsprechenden Entwurf erstellen lassen.

6. Kann man den Pflichtteil einklagen?

Wenn man als Pflichtteilsberechtigter keinen Erbteil zugesprochen bekommen hat oder man das Gefühl hat, dass der tatsächliche Erbteil nicht mindestens dem gesetzlichen Pflichtteil entspricht, kann man gegen die Erben vorgehen.

Pflichtteilsberechtigte haben unterschiedliche Ansprüche gegenüber Erben

Kann man sich nicht gütlich oder außergerichtlich einigen, dann bleibt die Möglichkeit, den Pflichtteil gerichtlich einzuklagen. Da man als Pflichtteilsberechtigter kein Erbe ist, hat man meist auch keinen eigenen Einblick, wie groß oder wie hoch der Nachlass eigentlich ist. Man hat aber den Anspruch, dass die Erben Auskunft über den Nachlass, seine Zusammensetzung und seinen Wert erteilen.

Zweifelt man den Wert des Nachlasses an oder möchte man den Wert exakt ermittelt haben, müssen die Erben zusätzlich zur Auskunftserteilung auch die Nachlassgegenstände durch einen Sachverständigen bewerten lassen. Kennt man als Pflichtteilsberechtigter nun den exakten Nachlasswert, kann man hieraus die Höhe seines eigenen Pflichtteils ermitteln lassen und diese Geldforderung gegenüber den Erben durchsetzen.

Gerichtliche Durchsetzung

Zeigen sich die Erben unkooperativ, lassen sich alle Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten auch gerichtlich durchsetzen. Hier gibt es z.B. die sog. Stufenklage, die in mehreren Stufen die Ansprüche, die dem Pflichtteilsberechtigten zustehen, durchsetzt. Da für dieses Verfahren sehr viele Verfahrensschritte und Verfahrenshandlungen nötig sind, sollten betroffene Pflichtteilsberechtigte sich in jedem Fall rechtlich beraten und vertreten lassen.

Denkbar ist unter bestimmten Voraussetzungen auch ein sog. Arrest in das Vermögen des Erben, wenn der Erbe keine oder bewusst falsche Angaben zum Nachlass erteilt und hektische Vermögensübertragungen durch den oder die Erben anstehen sollten.

7. Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Zukünftige Erblasser könnten auf die Idee kommen, den Pflichtteil der Pflichtteilsberechtigten dadurch zu minimieren, in dem sie einen (Groß-)Teil ihres Vermögens verschenken. Zwar kann der Erblasser grundsätzlich mit seinem Vermögen zu Lebzeiten machen, was er möchte und somit auch Schenkungen zu Lebzeiten tätigen. Dies könnte aber dazu führen, dass bei Tod des Erblassers und dem Eintreten des Erbfalls, kein Nachlass mehr vorhanden ist.

Durch den Pflichtteilergänzungsanspruch sind bei der Berechnung des Pflichtteils deshalb auch Schenkungen des Erblassers zu berücksichtigen, wenn diese bis zu 10 Jahre vor dem Tod des Erblassers getätigt wurden. Der Wert der Schenkung wird dabei fiktiv dem Nachlass zugerechnet und hieraus der Pflichtteil ermittelt. Bei ehebedingten Zuwendungen als Schenkungen beginnt die 10-Jahresfrist gem. § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB allerdings nicht vor der Auflösung der Ehe.

Dabei werden solche Schenkungen nicht berücksichtigt, die als Anstandsschenkungen oder Pflichtschenkungen angesehen werden. Dazu gehören z.B. Geldgeschenke zur Hochzeit oder zum Studienabschluss.

Rechtsberatung Erbrecht

Mehr Fragen zum Erbrecht, beantworten wir auch in unserem Beitrag zum Thema und informieren über die erbrechtliche Beratung.

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Jens-Uwe Friemann
Jens-Uwe Friemann ist Rechtsanwalt seit 2007. Im Jahr 2013 schloss er erfolgreich den Lehrgang zum Fachanwalt für Sozialrecht ab. Er ist spezialisiert auf Arbeitsrecht und Erbrecht.